Rolf Hermann in Rilkes Spuren

Rolf Hermann knüpft bei Rilke an. (Bild: Kurt Schnidrig)

Der gebürtige Leuker Schriftsteller und Dichter Rolf Hermann bricht zu neuen Ufern auf. Schon sein bisheriges literarisches Schaffen ist geprägt von einer grossen Vielfalt. Ob Kurztexte, ob Slam-Texte, ob sagenähnliche Geschichten, ob Brachiales oder ob zärtlich-absurde Liebesgedichte – vieles ist möglich bei Rolf Hermann. Nicht selten schleicht sich auch der alltägliche Wahnsinn in seine Werke ein. Rolf Hermann ist schwarzhumorig, unterhaltsam, vergnüglich, oftmals auch sentimental und melancholisch. Seine Texte können zum Lachen verführen, sie können einem aber auch den Boden unter den Füssen wegziehen.

Das Oberwallis als wichtigster Schauplatz in seinem literarischen Werk ist bei Rolf Hermann zur Tradition geworden. Die Liebe zur walliserdeutschen Dichtung hatte er früher von Hannes Taugwalder, dem Zermatter Dichter, geerbt. Dann jedoch haben sich seine Texte eher an den Dadaismus eines Ernst Jandl oder Ernst Eggimann angelehnt. Früher hatte sich Rolf Hermann zusätzlich auch noch von der amerikanischen Lyrik beeinflussen lassen. Doch dann eroberte er sich einen festen Platz in der Schweizer Literatur-Szene. Das Zentrum seines literarischen Schaffens war lange Zeit die Bundeshauptstadt Bern. In Bern tat er sich mit Autoren wie Pedro Lenz, Beat Sterchi und Guy Kneta zusammen. Doch immer wieder widmete er seine Texte der Oberwalliser Heimat.

Die Oberwalliser Heimat ist auch in seinen jüngsten Werken der Schauplatz. So etwa in „Flüchtiges Zuhause“ und in „Eine Kuh namens Manhattan“, Werke, aus denen er auch am Literaturfestival in Leukerbad las und erzählte. Insbesondere im Erzählband „Das Leben ist ein Steilhang“ hat er sein Lebensmotto in Geschichten umgesetzt. Das Leben sei für ihn deshalb ein Steilhang, weil unser Tal links und rechts von steilen Bergen flankiert sei, was sich auch auf seine Texte übertragen habe, erklärt er. Steil sind nämlich auch Hermanns Texte, weil sie steil auf eine Pointe hinauslaufen.

Anknüpfung bei Rainer Maria Rilke. Nun aber versucht Rolf Hermann etwas Neues. Er begibt sich in die Spur von Rainer Maria Rilke. Rolf Hermann knüpft an bei Rilkes Walliser Gedichten. Rolf Hermanns neuster Gedichtband trägt den Titel „In der Nahaufnahme verwildern wir“. Er knüpft nicht nur beim lyrischen Spätwerk, das Rilke im Wallis in französischer Sprache verfasst hat, an, sondern führt es auch fort bis in die Aktualität. Rilke war fasziniert gewesen von der Oberwalliser Landschaft und besonders von der Natur. Rilke dichtete über unsere Tannenwälder, über unsere Obstgärten und über unsere Glockentürme. Rilkes Beobachtungen und Beschreibungen flossen ein in vier Gedicht-Zyklen.

Rilkes vier Walliser Gedicht-Zyklen sind es nun, an die Rolf Hermann in seinem neusten Werk „In der Nahaufnahme verwildern wir“, anknüpft. Auch Hermann hat Gedichte im Stil von Rilke verfasst und in vier Zyklen zusammengefasst. Allerdings dichtet Rolf Hermann über die Landschaft und über die Natur im heutigen Wallis. Und da ist beileibe nicht mehr alles so zauberhaft und wundervoll wie damals bei Rilke.

ich folge dem unsichtbaren flusslauf / und mir ist als koste ich wieder / von einem längst vergessenen laut // mit jedem schritt / den ich gehe / falle ich / auf mich selbst zurück // falle in eine rieselnde stille / die sich sammelt / zu jahren / zu jahrzehnten // hin und wieder fällt schnee

Aus „In der Nahaufnahme verwildern wir“ von Rolf Hermann

Im heutigen Wallis ist der Rotten begradigt und gebändigt, wo sich früher noch Torf-Moor und Matten ausgebreitet hatten, da finden sich heute Golfplätze und Fabriken. Das graue Band der Autobahn zerschneidet den Talboden und massakriert das Landschaftsbild. Statt Rosen wie bei Rilke wächst bei Hermann nun Unkraut wie Knöterich, Kirschlorbeer und Neophyten. Trotzdem findet Rolf Hermann in seinen aktuellen Texten auch immer wieder zu Rilkes Originalton zurück. Hermann fokussiert in seinen neusten Texten auf unser Wallis der Gegenwart, er tut dies aber in der Manier von Rainer Maria Rilke, der hoch über Raron von seiner letzten Ruhestätte aus seinen Blick über das Wallis-Tal schweifen lässt.

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig