Starautorin Judith Hermann schreibt erfolgreich am eigenen Leben entlang

Im grossen Interview für pomona media gibt Judith Hermann bereitwillig Auskunft über ihr erfolgreiches Schreiben. (Bild: pomona media).

„Jedes Schreiben hat einen autobiographischen Kern“, sagt Judith Hermann gleich zu Beginn im Exklusiv-Interview für pomona media. Allerdings formt sie das eigene autobiographische Erlebnis um in eine Fiktion, in eine Erzählung. Schreiben sei in der Grundlage wohl immer autobiographisch, was aber daraus gemacht werde, das sei fiktiv, kommt die Autorin zum Schluss.

„Schreiben ist total gefährlich“, warnt Judith Hermann. Und warum? Sich auf die Suche nach einem Text, nach einer Geschichte, zu begeben, das sei durchaus etwas, was Begegnung, Erkenntnis und Erfahrung mit sich bringe, weil man zuvor nicht das Allergeringste wisse. Aber Judith Hermann warnt auch: „Schreiben ist etwas, das man überstehen muss.“ Das Schreiben sei jedes Mal eine grosse Erleichterung. Am Ende eines Textes angekommen zu sein, sei jedes Mal „ein Ritt über den Bodensee“.

„Am Ende einer Erzählung angekommen zu sein, ist jedes Mal ein Ritt über den Bodensee“, referiert Judith Hermann anlässlich ihrer Lesung aus dem neusten Werk. (Bild: pomona media)

Schreiben und Leben seien nicht gleichzusetzen, sagt Judith Hermann. „Das Schreiben formt das Leben um. Schreiben ist eine Art von Widerstand gegen das Mahlwerk der Zeit, gegen das ständige Vorübergehen der Dinge und gegen die Tatsache, dass man im Grunde sehr wenige Möglichkeiten hat, sich dem Leben irgendwie entgegenzustellen.“ Das Leben mache nun mal, was es wolle, gibt sich Judith Hermann lebenserfahren. Unser Wohl und Wehe sei von so vielen Dingen abhängig, die wir nicht unter Kontrolle haben.

„Das Schreiben ist ein davidhafter Widerstand gegen dieses grosse Leben, das über uns hinwegrollt, manchmal mehr, manchmal weniger dramatisch“, formuliert Judith Hermann druckreif im Exklusiv-Interview. (Bild: pomona media)

Die Suche nach dem ominösen Satz, der eine Geschichte in Gang bringt, fasziniert die Judith-Hermann-Leserschaft. Oftmals sei ein bestimmter erster Satz der Schlüssel zum Text, verrät uns Judith Hermann. „Es ist dies ein Satz, den ich höre, oder der zu mir gesagt wird, der vielleicht ganz banal ist, aber der ein Auslöser sein kann für eine Geschichte“, erklärt die Autorin. Leserinnen und Leser von Judith Hermanns Geschichten versuchen zuweilen, diesen ominösen Satz, diesen Ankerpunkt, zu finden. Für Judith Hermann bedeutet dies, dass ihre Leserinnen und Leser „angedockt“ haben, dass sie sich haben ansprechen lassen, dass irgendetwas in der Geschichte auf sie übergegangen ist. „Es ist Etwas, das auch sie getriggert hat, so wie mich zuvor dieser Satz getriggert hat“, fasst Judith Hermann zusammen.

Im Interview für pomona media verrät Judith Hermann, was Schreiben und Leben zusammenhält. (Bild: pomona media)

Von der Kellnerin zur erfolgreichen Autorin. Judith Hermann, geboren 1970 in West-Berlin, reüssierte mit dem Erzählband Sommerhaus, später, erschienen vor der Jahrtausendwende. Das Buch wurde von der Literaturkritik als der „Sound einer neuen Generation“ gefeiert. Sommerhaus, später mutierte zum Verkaufsschlager und machte aus der damaligen Kellnerin Judith Hermann eine erfolgreiche Autorin. Was Judith Hermann heute denkt und fühlt, das erfahren Leserinnen und Leser im neusten Werk der Autorin. In ihrem neuen Buch „Wir hätten uns alles gesagt“, das ihre Poetikvorlesungen zusammenfasst, fängt sie ein ganzes Lebensgefühl ein. Wahrheit, Erfindung, Geheimnis – wo beginnt eine Geschichte und wo hört sie auf? Wie nah sind unsere Träume der Wirklichkeit?

Hören Sie den Podcast mit dem Interview, das Kurt Schnidrig für pomona media mit Judith Hermann geführt hat. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Simon Kalbermatten)

Text, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig