Die Grundidee des Schulhausromans stammt vom Schweizer Autor Richard Reich und von der Germanistin und Lektorin Gerda Wurzenberger. Die Idee besteht darin, dass Autor*innen im Rahmen einer festgelegten Anzahl von Klassenbesuchen gemeinsam mit den Schüler*innen einen fiktionalen Text schreiben, und zwar ausgehend von einer ersten Idee bis zum druckreifen Manuskript. Bereits haben in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich gegen hundert Schreibcoaches mit mehreren tausend Schüler*innen über 200 Schulhausromane verfasst. Jeder Schulhausroman ist ein Experiment mit offenem Ausgang. Die Verantwortlichen sprechen von einem Kunstprojekt mit schulischem Kontext.
„Indem so unter der Anleitung ein eigener Schulhausroman erarbeitet wird, kommen Schülerinnen und Schüler zu einem Erfolgserlebnis in einem Bereich, der für sie sonst von Versagensängsten und Niederlagen geprägt ist: Durch das Mitgestalten eines längeren Erzähltextes wird ihr Selbstbewusstsein im sprachlichen Ausdruck gestärkt. Die Schüler erleben, wie ihre Ideen von den Autoren aufgenommen und damit ernstgenommen werden, und dass diese Ideen literarisch interessant, also etwas wert sind.“ (Aus: www.schulhausroman.ch/)
Eine ausserschulische Verankerung des Lesens und Schreibens steht damit zur Diskussion. Es brauche eine personelle wie auch inhaltliche Distanz zum schulischen Alltagsbetrieb, fordern Literatinnen und Literaten. Mit diesem methodischen Ansatz wurde bereits im Jahr 2005 das „Projekt Schulhausroman“ begründet. Schweizweit liegt die Projektleitung aktuell in den Händen der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Kulturprojekte“, die unter dem Namen „Die Provinz GmbH“ mit Schriftsteller*innen zusammenarbeitet. Diese sollen als „Schreibcoaches“ in Klassen der unteren Leistungskategorien, vor allem in der Sekundarstufe I, mit dem Schreiben von sogenannten „Schulhausromanen“ auch sprachliche Kompetenzen – mündlich wie schriftlich – fördern. Als Zielpublikum für das Schreiben von Schulhausromanen kommen insbesondere Jugendliche in Frage, deren schulische Leistungen als defizitär eingestuft werden, und die häufig nicht den von den Schulen gestellten Anforderungen genügen.
Als Schreibcoaches fungierenden Autor*innen. Sie müssen erste Ideen für eine gemeinsame Geschichte zunächst einmal provozieren. Es gilt, Voraussetzungen zu schaffen, damit die Jugendlichen zu erzählen und zu schreiben beginnen. Danach müssen die Schreibcoaches die Resultate synchronisieren und kombinieren. Das Synchronisieren und Kombinieren geschieht teilweise ausserhalb der Schulstunden. Die Schreibcoaches fügen die Textbausteine zusammen und stellen den dabei entstandenen neuen Text beim nächsten Klassenbesuch zur Diskussion. Ein explizites Ziel ist es, am Ende eine abgeschlossene Textfassung zu besitzen. Die Jugendlichen sollen sich damit identifizieren können und für das Geschriebene auch Verantwortung übernehmen.
Schüler*innen machen „offizielle Kultur“. Im Konzept der Schulhausromane ist vorgesehen, dass jede Klasse im Rahmen einer öffentlichen Lesung in einem Kulturinstitut ihren Text vorstellt. Dabei geht es um das Sichtbarwerden der Schreibenden. Das kreative Spannungsfeld des Schulhausromans kommt auch zustande durch das Zusammentreffen von Repräsentierenden der „offiziellen Kultur“, also der aussenstehenden professionellen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, mit Jugendlichen aus oftmals bildungsfernem Umfeld. In Leukerbad dient das Literaturfestival als eine adäquate Plattform zur Präsentation der beiden Schulhausromane.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig