Der amerikanische Präsident ist weg!

Morgen Montag, 4. Juni, erscheint ein Krimi von Ex-US-Präsident Bill Clinton. Und er versetzt die Amerikaner in einen Schockzustand! „Der Präsident ist verschollen“, so heisst der Roman in deutscher Sprache. Bill Clintons Roman erscheint gleichzeitig in mehreren Sprachen. Der Originaltitel lautet „The President Is Missing“. Bill Clinton (71) ist der erste amerikanische Präsident, der Schlagzeilen macht mit einem Roman. Damit der Krimi nicht bloss als Politthriller ein Erfolg wird, sondern auch sprachlich und literarisch etwas hergibt, hat sich Bill Clinton mit dem „erfolgreichsten Schriftsteller der Welt“ zusammengetan. Es ist dies James Patterson, Amerikas bestverdienender Autor. Herausgekommen ist dabei ein Krimi, von dem bis dato alle nur den Cover kennen (Bild).

Bill Clintons Krimi ist „Top Secret“. Das ist sehr aussergewöhnlich im Literaturbetrieb. Kein einziger Literaturkritiker erhielt ein Rezensionsexemplar. Auch unter der Hand war kein Vorabdruck erhältlich, keine Interviews, keine einzige Textpassage ging raus. Warum wohl? Die Antwort ist naheliegend. Es soll im Vorfeld keine kritische Stimme den Roman von Bill Clinton anzweifeln dürfen. Einzig ein paar handverlesene US-Autoren durften einen Blick ins Buch werfen. Allerdings auch nur zum Zweck, einen wirksamen  Werbespruch für das Buch zu formulieren. Ein Beispiel? Der Schriftsteller Michael Connelly (61, „Ehrensache“) kreierte das buchstäblich hoch fliegende Zitat: „Dieses Buch ist wie der Präsidentenflieger Air Force One – gross und schnell“, textete er. Dazu meine ich: Guter Vergleich, schöne Metapher, ein Buch mit dem legendären Präsidentenflugzeug zu vergleichen, das ist naheliegend. Aber wer hat schon ein Buch gesehen, das „gross und schnell“ ist? Der Rummel gross und das Buch schnell vergessen? Hoffentlich nicht.

Der Präsident ist verschollen. Nun ja, wollte man kritisch und ironisch sein, dann könnte man sagen, es handle sich um ein schönes Märchen. Schliesslich gibt es nicht wenige, die sich den aktuell regierenden Präsidenten ins Pfefferland wünschen. Dazu passen würde die einzige Stelle aus Clintons Roman, die durch eine Indiskretion durchgesickert ist. Der Krimi spielt vor allem im Weissen Haus in Washington. Hauptfigur ist der fiktive US-Präsident Jonathan Duncan. Der Präsident spricht, ich zitiere: „Ich werde handgreiflich und schlage das Mikrofon vom Tisch. Als ich aufstehe, werfe ich den Stuhl um.“ Wie gesagt, das ist die einzige Textstelle, die durchgesickert ist. Nun ja, die Passage reisst mich nun nicht gerade vom Stuhl, vor allem weil der Temporalsatz „Als ich aufstehe, werfe ich den Stuhl um“ irgendwie grammatikalisch krank ist. Müsste wohl heissen „Wenn ich aufstehe, werfe ich den Stuhl um.“ Aber okay, der „Co-Autor“ James Patterson verdiente im Jahr 2017 laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes nur gerade 87 Millionen Dollar. Da kann man ja nun wirklich nicht allzu viel verlangen…

Die drei erschreckendsten Tage in der Geschichte des fiktiven US-Präsidenten Jonathan Duncan verspricht der Kriminalroman von Autor Bill Clinton. Die drei schrecklichsten Tage in den USA dauern von Samstag bis Montag. Es geht um Internet-Terror, und auch Spionage soll mit im Spiel sein. Und – For Heaven’s Sake! – im Regierungskabinett sitzt ein Verräter. Und es soll im Clinton-Krimi zum Schluss ganz heftig und deftig zugehen: Der Präsident selbst steht unter Verdacht!! Persönlich vermute ich, dass er womöglich seine Praktikantin… ? Immerhin hat Autor Bill Clinton in einem Interview das Folgende gesagt: „James Patterson und ich haben uns die drei erschreckendsten Tage in der Geschichte einer Präsidentschaft einfallen lassen – und das könnte wirklich geschehen, und es geschieht so schnell.“ Ja, ja, das kennen wir alle. Vielleicht handelt es sich halt doch um die Sache mit der Praktikantin…

Der Roman wird verfilmt. Zumindest dies ist schon mal klar. Nicht bloss ein Kinofilm soll es werden. Der Clinton-Roman ist bereits vor seinem Erscheinen als TV-Serie geplant. Obschon niemand weiss, was wirklich drin steht. Sicher ist nur dies: Der Clinton-Roman und dessen Verfilmung soll voller Informationen sein, die nur ein früherer Präsident wie Bill Clinton kennen kann. Co-Autor James Patterson (Honorar: einige Millionen) bläht sich fürchterlich auf und verkündet: „Das wird die authentischste und erschreckendste Story seit vielen Jahren. Und eine, über die wir noch Jahre sprechen werden.“

Der Krimi soll also die drei erschreckendsten Tage eines US-Präsidenten erzählen. Zumindest am Montag werden die Medien wohl Bill Clintons Krimi thematisieren. Dienstag und Mittwoch sind dann die Literaturkritiker dran. Spätestens ab Donnerstag wird dann der amtierende US-Präsident weitere erschreckende Tage im Weissen Haus live und vor Ort produzieren.

Text und Foto: Kurt Schnidrig;

Buch-Cover: www.droemer-knaur.de