Kontrabass statt Stainway-Flügel

Barbara Terpoorten lud in den literarischen Salon ein. Ausgegraben hatte sie einen Roman aus dem Jahr 1983. Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard erzählt darin vom beruflichen und privaten Auf- und Abstieg dreier angehender Konzertpianisten. Der zentrale Protagonist in der Erzählung ist Glenn Gould, dessen Genialität und Perfektion seine Kollegen dazu treibt, das Klavierspiel umstandslos aufzugeben. Aber damit nicht genug. Glenn Gould verpasst seinem Kollegen Wertheimer den Spitznamen Der Untergeher. Damit leitet er dessen Untergang ein, der im Suizid endet. Viel Tragik und Dramatik also um drei Künstler am Piano, Flügel oder Klavier. Aron Salzmann interpretierte die Auseinandersetzung um die drei Konzertpianisten gekonnt. Warum allerdings ein Kontrabassist für die musikalische Begleitung sorgte, und nicht ein Pianist oder ein Klavierspieler, das wohl bleibt das Geheimnis der Organisatoren.


Mit hoher Sensibilität und Empathie
interpretierte Aron Salzmann auf seinem Kontrabass die Geschichten dreier Konzertpianisten. Dies geschah etwa dann, wenn es galt, den Erinnerungsfluss des fiktiven Autors auch musikalisch umzusetzen. Der Ich-Erzähler erinnert sich beispielsweise an die gemeinsame Studienzeit, die er zusammen mit Gould und Wertheimer am Mozarteum in Salzburg verbracht hatte. Alle drei strebten sie nur nach dem Höchsten in der Kunst. Doch gaben Wertheimer und der Erzähler das Klavierspiel auf, nachdem sie Goulds unerreichbare Genialität beim Einüben und beim Vortrag der Gouldberg-Variationen erkannten. Die Enttäuschung der beiden richtete sich gegen alles und gegen alle. Die Umsetzung dieser Passage im literarischen Salon ergab etwa das Folgende: Schauspielerin Terpoorten trug die entsprechende Stelle vor: „Die Stadt Salzburg war gegen alles in einem Menschen. Die Salzburger waren immer geist- und kunstfeindlich…“ Der Kontrabassist Aron Salzmann interpretierte das Gelesene. Er strich und zupfte dunkle Töne aus seinem Instrument, die sirenenhaft anschwollen, dann gefährlich aufbrausten, um schliesslich wieder beruhigend zu verhallen.

Tonalität, Sprechtempo und Sprachmelodie der Schauspielerin Barbara Terpoorten taten dem unsäglich langatmigen Erzählstil von Thomas Bernhard gut. Der Roman „Der Untergeher“ ist mit seinen langen Passagen ohne Abschnitte für eine heutige Leserschaft eine schwer verdauliche Kost. Bei der Lektüre des Romans tragen immerhin die kursiv gesetzten Zitate und die eigenwillige Zeichensetzung des Autors zum Verständnis bei. Gewissermassen als Lesehilfen hat Thomas Bernhard an schwer verständlichen Stellen gar Pausensignale eingefügt. Das alles bekommt ein geübter Leser zwar mit, niemals aber ein Zuhörer. Auch aus diesem Grund war die Wahl einer guten Schauspielerin wichtig. Nur eine gute Schauspielerin und Sprecherin wie Barbara Terpoorten schafft es, derart kompliziert gebaute Texte verständlich rüberzubringen.

Drei Zeitebenen und drei Lebenswege.  Eine Einführung in den über dreissigjährigen österreichischen Roman „Der Untergeher“ besorgte Sara Eggel kurz, träf und motivierend. Zur Einordnung der gehörten Leseproben ist ein rudimentäres Wissen zum Aufbau des Romans vonnöten. Zu Beginn des Romans tritt der Ich-Erzähler in eine Schankstube in einem oberösterreichischen Ort ein. Soeben kommt er von der Beerdigung seines Kollegen Wertheimer in Chur. Er ist der einzige Überlebende der drei Konzertpianisten, die zusammen studiert haben. Der Ich-Erzähler reflektiert nun die parallelen Lebenswege seiner Kollegen. Vor allem sucht er nach Motiven für den Suizid seines Freundes Wertheimer. Die Geschichten ereignen sich auf verschiedenen Zeitebenen. Die Technik der Rückblende erlaubt es dem Leser, den Untergang hochqualifizierter Künstler nachvollziehen zu können.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig