Toni Morrison schrieb gegen den Rassismus. Ihre Bücher haben sie zum „Gewissen Amerikas“ werden lassen. 1993 erhielt sie für ihr grosses schriftstellerisches Engagement den Nobelpreis für Literatur. Am vergangenen Montagabend ist Toni Morrison im Alter von 88 Jahren gestorben. Bis zu ihrem Tod hatte Morrison als Schriftstellerin den Kampf gegen den Rassismus in ihren Romanen und Essays thematisiert. Jahrelang hatte sie an der Eliteuniversität Princeton kreatives Schreiben gelehrt. Noch 2018 erschienen von ihr letzte Essays über „Rasse, Rassismus und Literatur“. Die Erfolgskarriere der Toni Morrison begann bereits 1970. In diesem Jahr erschien von ihr das Buch mit dem Titel „Sehr blaue Augen“.
Sehr blaue Augen. Der Roman mit diesem Titel verkaufte sich millionenfach und weltweit. Der Titel „Sehr blaue Augen“ nimmt Bezug auf einen Wunsch des schwarzen Mädchens Pecola Breedlove, das in seinen Gebeten um blaue Augen fleht, weil es hofft, mit blauen Augen die Liebe seiner Mutter zu erlangen. Die Handlung spielt in Ohio, wo die Nobelpreisträgerin Toni Morrison das Licht der Welt erblickte. Dort diente Pecola Breedloves Schulfreundin Pauline als Hausmädchen bei einer weissen Familie. Pauline kümmert sich liebevoll um die kleine blauäugige Tochter der weissen Familie. Langsam erwächst in ihr die Überzeugung, dass es die blauen Augen der Weissen sind, die für die Liebe und für alle Annehmlichkeiten des Lebens verantwortlich sind. Im Haus der weissen Familie erntet sie Lob und Anerkennung für ihre Arbeit. Zu Hause jedoch, bei ihrer schwarzen Familie, fehlt ihr die Kraft, um nach dem Rechten zu sehen. Sie vernachlässigt ihren Mann, ihren Sohn und ihre Tochter. Die Geschichte endet tragisch.
Blaue Augen sind traurige Augen. Toni Morrisons Erstlings-Roman lässt sich nur auf dem Hintergrund der amerikanischen Kultur korrekt interpretieren. Im Original heisst der Roman „The Bluest Eye“. Blue (blau) hat im Amerikanischen eine Doppelbedeutung. Blue hat auch die Bedeutung von traurig und eye klingt wie I (ich). Blaue Augen sind also gemäss dieser Lesart auch traurige Augen, genau genommen sind es die traurigen Augen der Autorin selbst. Die Eltern von Toni Morrison fühlten sich ob ihrer Rasse diskriminiert und zogen von den Südstaaten hinauf nach Ohio. 1970 veröffentlichte Toni Morrison ihren Roman-Erstling „Sehr blaue Augen“. Es handelt sich dabei um ein schockierendes autobiographisches Buch. Die Rezeption der Leserschaft enttäuschte jedoch Toni Morrison. Sie klagte: „Viele Leser wurden nur gerührt, nicht bewegt.“
Weitere Romane. In Salomons Lied erzählt Toni Morrison die Geschichte einer afroamerikanischen Familie über mehrere Generationen hinweg. Die Familienmitglieder organisieren sich in einer Geheimorganisation, die Selbstjustiz an mordenden Weissen verübt. Den renommierten Pulitzer Preis erhielt Toni Morrison für den Roman Beloved. Die Romanstory dreht sich um die Person der Margaret Garners, die eines ihrer Kinder tötete, um es vor einem Leben in Sklaverei zu bewahren. Der Roman Beloved ist mit dem neuen Titel Menschenkind verfilmt worden, Regie führte Jonathan Demme.
Professorin, Philosophin und Schriftstellerin. Im Jahr 1989 wurde Toni Morrison zur Professorin für Geisteswissenschaften ernannt. Bis zu ihrer Emeritierung hatte sie einen Lehrstuhl an der Princeton University inne, wo sie die Studierenden kreatives Schreiben lehrte. Im Jahr 2010 starb einer ihrer Söhne an Krebs. Mit diesem Schicksalsschlag hatte Toni Morrison lange zu kämpfen. Gesundheitliche Probleme zwangen sie in den Rollstuhl. Ihr Leben hatte sie dem Schreiben gegen Rassismus in den USA gewidmet. Mit Toni Morrison ist das „Gewissen Amerikas“ verstummt.
Text und Fotos: Kurt Schnidrig