Es sind nicht die grossen Probleme, die eine Liebe belasten. Häufig sind es die kleinen Dinge, die eine Ehe scheitern lassen, und die schliesslich zur Scheidung führen: Ein Ehepartner vergisst häufig, das Deckelchen auf die Zahnpasta-Tube zu schrauben. Ein anderer vergisst, die gebrauchten Kleider wegzuräumen. Wir nehmen uns zu wenig Zeit, solche „Nichtigkeiten“ anzusprechen und zu klären, meint der Erfolgsautor Alain de Botton in seinem Buch „Der Lauf der Liebe“.
Warum scheitern so viele Ehen? Der aus der Schweiz stammende und in London lebende Alain de Botton will nun endlich herausgefunden haben, warum sich so viele Ehepaare schon nach wenigen Jahren Ehe verkrachen. Ja und warum? Wenn es um das Scheitern in der Liebe geht, da spielen Nebensächlichkeiten meistens eine Hauptrolle. Anscheinend sind es lächerliche Kleinigkeiten, die dazu führen, dass sich Ehepaare schliesslich scheiden lassen. Die Eheleute realisieren oftmals viel zu spät, wie gefährlich solch scheinbar banale Dissonanzen sind. Seltsamerweise hält sich die Vorstellung hartnäckig, dass nur ganz grosse Probleme die Liebe belasten, alte Familienstreitigkeiten etwa oder unlösbare Konflikte. Doch dem ist nicht so. Die Minenfelder einer Ehe liegen anderswo versteckt.
Das Ideal einer romantischen Liebe. Interessant ist die Frage, weshalb wir uns nicht auch um die Nichtigkeiten und Kleinigkeiten kümmern, die eine Ehe gefährden können. Die Antwort auf diese Frage ist überraschend und erstaunlich zugleich: Wir alle haben das Ideal einer romantischen Liebe im Kopf, schreibt Alain de Botton in seinem Buch „Der Lauf der Liebe“. In Büchern und Filmen begegnen uns Paare in ausserordentlich romantischen Lebenssituationen: Niemand muss ins Büro, niemand beschwert sich über die dreckige Wäsche oder über die Strassenschuhe, die man vergessen hat vor der Haustür auszuziehen. Die Liebesgeschichten in Filmen und in Büchern bestärken uns in der Meinung, dass wir doch eigentlich eine Prinzessin oder einen Prinzen verdient hätten.
Eine Partnerschaft ist ein Hochseilakt. Es ist also höchste Zeit, dass wir uns auch um die Liebe im Alltag kümmern. Das ist nicht immer spannend, häufig sogar langweilig. Eine Partnerschaft ist auf Dauer ein Hochseilakt, und wir alle, die wir uns darauf einlassen, müssen ganz schön verrückt sein, kommt der Autor von „Der Lauf der Liebe“ zum Schluss. Aber immerhin hat er auch Tröstliches aufzutischen: Menschen können in Liebesdingen auch reifen. Echte Liebe besteht nicht nur darin, die Stärken des anderen zu bewundern, sondern sie fordert auch Grosszügigkeit gegenüber seinen Schwächen.
Die Liebe – ein ewiges Mysterium. Wie viele Literaten haben sich schon an den verrückten Eskapaden der Liebe und der Liebenden abgearbeitet! Was Alain de Botton in seinem Buch „Der Lauf der Liebe“ glaubt herausgefunden zu haben, das ist detailliert protokollierte Normalität. Jede und jeder, der eine amtliche Beziehung eingegangen ist, wird sich in den Fallstudien dieses Buches wiedererkennen. So viele Aha-Erlebnisse erzeugen beim Lesen aber vor allem auch eins: Langeweile. Alain de Botton handelt die Liebe ab wie ein Kommunikationsmittel und nicht als das, was die Liebe wirklich ist: ein undurchdringlicher Dschungel von Gefühlen.
Ist das nun ein Roman? Auffallend ist, wie heutzutage jedes Geschreibsel frech als ein „Roman“ daherkommt. Das Buch mit dem Titel „Der Lauf der Liebe“ ist ein Eheratgeber, vielleicht auch ein psychologisches Lehrbuch. Aber doch bestimmt kein Roman! Da hat der Autor allerlei Plattitüden und längst Bekanntes in der Psychologenküche zu einem dünnen Wässerchen zusammengebraut, das einem zwar gut tut, das aber kaum Wirkung erzeugt.
Was aber so richtig angurkt, das sind moralinsaure Sätze und Sprüche wie: Statt uns zu trennen, sollten wir uns lieber für das Aushalten und Aushandeln entscheiden, wobei man sich „die grösste Erfindung unseres Zeitalters“, die Paartherapie, zunutze machen darf. Das ist dann entschieden zuviel der Eigenwerbung seitens des Autors, der sich darauf spezialisiert hat, Philosophie, Psychologie und Soziologie auf populäre und mundgerechte Häppchen herunterzubrechen. Da ist man schliesslich dann doch versucht auszurufen: „Ach Schätzchen, lass uns getrennte Wege gehen!“
Text und Fotos: Kurt Schnidrig