Patricia Aschilier aus Steg präsentiert ihr viertes Taschenbuch. Es trägt den Titel: „Olivias Gäste“. Die Erzählung spielt sich im Tessin ab. In Gandria hat sich Olivia mit einem eigenen Gästehaus einen Traum erfüllt. Schon bald lässt sich das Geschäft mit dem Gästehaus recht gut an. Interessante Gäste steigen dort ab, alle haben sie originelle Geschichten zu erzählen. Eine Mutter mit ihrer Tochter, Klosterfrauen, ein Kinoliebhaber, eine Astrologin, Menschen aus fremden Kulturen… alle sorgen sie mit ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Lebensgeschichten für lebhaften und bedenkenswerten Gesprächsstoff.
Berührend und einfühlsam bringt die Autorin ihren Leser*innen die Einzelschicksale der Gäste aus „Olivias Genuss Perle“ näher. Dabei sorgt sie für manche Überraschung. Während des Aufenthalts im Gästehaus verraten Olivias Gäste viel aus ihrem Leben. Menschliche Abgründe tun sich auf, aber auch psychologische Einblicke in Eigenarten und Unarten der Gäste offenbaren sich. Wie entwickelt sich ein Mädchen, das ohne seine Mutter aufwachsen muss? Wie geht eine Frau mit der Erkenntnis um, dass sie als Neugeborene in einem Babyfenster abgelegt wurde? Wie lässt sich mit Randgruppen oder mit Menschen aus fremden Kulturen in einem Gästehaus zusammenleben?
Protagonistin Olivia Rossi ist keine strahlende Heldin. Mit ihren Schwächen und mit ihren Unzulänglichkeiten identifiziert man sich als Leser schon bald mit ihr, man leidet mit ihr und man hofft mit ihr. Die Autorin vermittelt gut nachvollziehbar die Innensicht und die Motivationen ihrer Protagonistin, auch dann, als diese an ihre eigenen menschlichen Grenzen stösst. Aufgewachsen als ungewolltes Kind und geplagt von Depressionen in ihrer Jugend, hofft sie auf ein erfüllendes Liebesglück.
„Umberto! Meine erste grosse Liebe steht vor meiner Haustüre. (…) Mir wird ganz komisch. Mein Kopf ist bestimmt röter als eine überreife Tomate und meinen rasenden Herzschlag kann man bestimmt durch meine Bluse sehen, wenn nicht sogar hören.“
Aus: „Olivias Gäste“, Seite 53
Nicht selten jedoch erweisen sich ihre Liebhaber als krankhaft vorbelastet, als erpresserisch oder gar als Heiratsschwindler. Die Erzählungen in „Olivias Gäste“ wirken lebensecht und lebenserfahren. Das Buch erzählt von der Schwierigkeit, echte und dauernde Beziehungen zu knüpfen. Oftmals ist es die Liebe selbst, die Leid und Enttäuschung mit sich bringt.
„Ich will gar keine Liebe entwickeln, die ist direkt da oder nicht.“
Aus: „Olivias Gäste“, Seite 70
Macht uns die Autorin in der ersten Hälfte ihres Buches mit Einzelschicksalen vertraut, beginnt dann aber doch eine zusammenhängende Story, die sich wie ein Schicksalsdrama liest und uns zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurückführt. Dem Leser stellt sich die philosophische Frage nach dem Sinn, der sich hinter all der Tragik und hinter all dem Dramatischen und Leidvollen im menschlichen Leben verbirgt. Patricia Aschilier wäre am Donnerstag, 29. Oktober, in der Buchhandlung ZAP in Brig zu erleben gewesen. LEIDER ABGESAGT!
Text, Foto und Radiosendung: Kurt Schnidrig