Die Schauspielerin Barbara Heynen ist am kommenden Donnerstag, 22. Juli, auf dem Dorfplatz in Grengiols, im Rahmen des „Grängjer Kultursommers“, zu erleben. Sie wird Geschichten von Menschen und Tieren und deren Beziehungen zueinander vortragen. Barbara Heynen aus Brig-Glis hat einen Master of Arts in Theater, und sie war ein Ensemble-Mitglied beim Deutschen Theater in Berlin. Dort hatte sie grosse Auftritte feiern können, im „Sommernachtstraum“ von Shakespeare zum Beispiel. Seit Sommer 2014 agiert Barbara Heynen nun als freie Schauspielerin. Seit 2020 ist sie Co-Leiterin des Theater-Kollektivs „Marie“. Wir kennen und lieben Barbara Heynen auch als Sprecherin in Hörspielen am Radio. Sie leiht ihre Stimme überdies den Figuren aus literarischen Vorlagen, die alsdann als Hörbücher ein breites Publikum erfreuen. Eine Schauspielerin allerdings sollte man „live“ erleben, denn Mimik und Gestik, eine ausdrucksstarke Körpersprache, sind beim Erzählen und Vorlesen wie das Tüpfchen auf dem i. Der „Grängjer Kultursommer“ bietet Anlass dazu.
Szenen zum Thema „Menschen und Tiere“. Erzählungen und Geschichten, die eigentlich von Menschen und dem menschlichen Charakter handeln, werden im Zentrum stehen. In der Fabel treten die Tiere als Stellvertreter der Menschen auf, und die Grenze zwischen Mensch und Tier ist klar gezogen. Was aber, wenn diese Grenze verschwimmt? Davon handeln die Texte der Lesung mit Barbara Heynen. „Es handelt sich um Texte, die zwar keine Fabeln, aber immer fabelhaft sind“, verspricht Dr. Karin Hopfe seitens der Kulturkommission Grengiols. Was genau Schauspielerin Barbara Heynen uns in Grengiols über Tier und Mensch vortragen wird, das soll allerdings eine Überraschung sein.
Tiere mit grossem Unterhaltungs-Faktor. In den vergangenen Monaten, die von der Pandemie geprägt waren, haben sich viele einsame Menschen ein Tierchen ins Haus geholt, einen Hund, ein Kätzchen vielleicht. Tiere spielen eine wichtige Rolle, sie nehmen oftmals den Platz ein von vollwertigen Familien-Mitgliedern. Allerdings geht bei vielen Zeitgenossen die sogenannte „Humanisierung“ von Haustieren recht weit. Tiere werden nicht selten wie Menschen behandelt.
„Tiere für Fortgeschrittene“. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier führt weit in die Geschichte zurück. Von Äsops Fabeln bis zu Eva Menasse. Die Wiener Autorin hat kürzlich einen Erzählband veröffentlicht mit dem Titel „Tiere für Fortgeschrittene“. Die Geschichten handeln von Raupen, die sich ihr eigenes Grab schaufeln. Von Enten, die selbst im Schlaf noch nur ans Fressen denken. Von Schafen, die ihre Wolle aus eigenem Antrieb heraus abwerfen. Jede dieser Erzählungen geht von einer kuriosen Tiermeldung aus, welche die Autorin als Notiz aus Zeitungen ausgeschnitten und gesammelt hat. Nun hat Autorin Menasse diese Notizen zu zauberhaften Erzählungen verarbeitet, die auch immer viel Menschliches und allzu Menschliches offenbaren. Es liesse sich bei Menasses Tiergeschichten von „Tier-Metaphern“ sprechen. Skurril und merkwürdig sind sie, die Tiergeschichten der Eva Menasse. Als Leser ist man gefordert, die Zusammenhänge zwischen Tier und Mensch, der Krone der Schöpfung, zu erkennen und herzustellen.
Ein Erzählbeispiel zur Einstimmung gefällig? Wir wissen ja nicht, was genau uns Schauspielerin Barbara Heynen vortragen wird, es soll dies eine Überraschung sein. Trotzdem aber ein kleines Müsterchen für alle Wolfsfreunde und Wolfsgegner. Gefunden unter Äsops Fabeln: „Der Wolf und der Jäger“:
Ein Wolf ward von den Jägern heftig verfolgt und da er schon ermattet war, so verzweifelte er an seiner Rettung. Von ungefähr begegnete er einem Holzhacker, der ihn auf sein Bitten hin in seine Hütte aufnahm und ihn in einem Winkel versteckte. Bald darauf kamen die Jäger bei der Hütte an und fragten, ob er den Wolf nicht gesehen habe. Er antwortete ihnen mit „Nein“, gab ihnen aber zugleich mit Finger und Augen ein Zeichen, dass der Wolf in seiner Hütte verborgen sei. Sie suchten, fanden ihn aber zum Glück nicht und zogen wieder weiter. Der Wolf machte sich aus dem Staube, ohne dem Holzhacker für den Zufluchtsort zu danken. Der Holzhacker warf ihm seinen Undank vor, der Wolf aber antwortete: „Ich würde nicht ohne Dank von dir scheiden, wenn deine Hand und deine Augen mit deinen Worten übereingestimmt hätten.“
Aus: „Äsops Fabeln“
Und die Moral von der Geschicht? Wer wahren Dank fordert, darf keine zweideutigen Dienste geleistet haben. Das Beispiel zeigt überdies: Auch von Tieren lässt sich lernen. Und: Wölfe haben’s manchmal faustdick hinter den Ohren. Den Jägern sei’s ins Jagdbuch geschrieben.
Text und Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig