In der Natur das Staunen wieder lernen

Grossartige und zauberhafte Orte in der Schweiz locken zu Touren im Spätsommer. Im Bild: Das Bietschhorn. (Foto: Kurt Schnidrig)

Was alles braucht es, damit man auch als moderner und verwöhnter Mensch des digitalen Zeitalters noch ins Staunen gerät? Es braucht Natur pur. Natur, wie sie auch unser Oberwallis in verschwenderisch reicher Pracht immer noch bereithält. Viele zauberhafte Orte liegen weitab von den populären Destinationen. Immer sollte man sich auch um die Erhaltung und Bewahrung ökologisch intakter Landschaften bemühen.

Als die Königin des Wallis gilt das Bietschhorn, wohl auch deshalb, weil es majestätisch über dem Lötschental und dem ganzen Wallis trohnt. Waren Sie, liebe Leserin, lieber Leser, schon mal auf dem Bietschhorn? Dem Bietschhorn fehlen ein paar wenige Meter um ein 4000er zu sein, es ist ganz genau 3934 Meter hoch. Damit sieht man das Bietschhorn vom Lötschental, von Bürchen und auch von Visperterminen aus. Sogar aus dem Unterwallis betrachtet, zum Beispiel von Martinach aus, ist der Gipfel wahrlich imposant. Die Besteigung ist eine ernsthafte Angelegenheit und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer auf dem Gipfel steht, sollte sich mit seiner Leistung noch nicht zufriedengeben. „Eigentlich darf man sich auf dem Gipfel nicht gratulieren, sondern erst unten“, gibt uns die Hüttenwartin mit auf den Weg zurück ins Tal. Bergsteiger in Topform schaffen den Auf- und Abstieg in knapp zwölf Stunden. Wer die „Königin des Wallis“ bezwungen hat, der darf sich selbst „königlich“ nennen, denn in seinen Adern fliesst fortan blaues Blut.

„Orte des Staunens“ – so heisst auch ein Ratgeber, den ein erfahrener Tourenleiter und Wanderpapst, David Coulin, herausgegeben hat. Der Autor unterscheidet zwischen „Gipfel des Staunens“, „Wege des Staunens“ und „Orte des Staunens“. Als Ort des Staunens präsentiert er uns eine Tour aufs Sidelhorn. Es ragt zuoberst im Goms gen Himmel, umtobt vom Grimsler Wind. Man steigt also zuerst auf den Grimelpass hoch. Der Aufstieg aus Sidelhorn beginnt auf dem Grimselpass. Auf dem Sidelhorn befindet sich die Wasserscheide Europas. Wenn der Regen fällt, fliesst das Wasser auf der einen Seite des Weges hinunter in die Aare und mit ihr in die Nordsee. Auf der linken Seite des Grats fliesst das Wasser dagegen mit der Rhone ins Mittelmeer. Dazu kommt eine imposante Aussicht, die sich uns oben auf dem Sidelhorn bietet.

Zu den „Wegen des Staunens“ zählen auch die Wege entlang der sonnigen Halden an der Südrampe. (Foto: Kurt Schnidrig)

Entlang der alten Suonen, von Ausserberg über Zen Steinen nach Eggerberg, lässt sich vortrefflich wandern. Ein Weg, der uns staunen lässt, führt zudem von Gspon nach Visperterminen. Romantikerinnen und Romantiker erfüllen sich den „Gletschertraum“, damit ist der Weg gemeint, der von Trockener Steg bis nach Schwarzsee ob Zermatt hinaufführt.

Die „Arme-Seelen-Kapelle“ im Oberaletschji zählt zu jenen Orten, die uns staunen lassen. Wer auch mal einen Abstecher ins Mittelwallis wagt, der sollte sich auf die Spuren der Bergläufer machen, die jährlich den legendären Berglauf Sierre-Zinal bewältigen. Der Kulminationspunkt dieses „Königs der Bergläufe“ ist das Hotel Weisshorn, ebenfalls ein Ort des Staunens. Man braucht allerdings kein „geländegängiger Geissbock“ zu sein, um an all diesen zauberhaften Orten das Staunen über die Wunder in freier Natur wieder neu zu erlernen.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Thema „Orte des Staunens“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Stefanie Sterren / Lilian Ritler)

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig