„Ich bin nicht nur genug, ich bin grossartig!“ Wer schon kann oder darf das von sich sagen, ohne als selbstverliebter Ego belächelt zu werden? Ist sowas nicht masslos egoistisch? Nein, nicht zwingend, belehrt Bianca Sissing ihre weibliche Zuhörerschaft. Und sie liest aus ihrem Buch:
Wenn „Ich bin grossartig!“ von einem Ort innerer Reflexion und Selbsterkenntnis kommt, ist das nicht das Ego, sondern Selbstliebe, die aus dir spricht.“
Bianca Sissing
Bianca Sissing gibt sich abgeklärt, sie stützt sich auf ihre beiden Inspirationsquellen. Da ist einmal ihre psychologische Ausbildung, die man in der Schweiz partout nicht anerkennen wollte. Und da ist vor allem aber ihre eigene Erfahrung, vorwiegend aus Kindheits- und Jugendjahren herstammend, aus der sie sich ihre eigenen „Lehren“ zusammengeschustert hat. Die „Nacht, in der alles aus dem Ruder lief“, erlebte sie mit 8-9 Jahren. Sie musste eine Nacht lang im Obdachlosenheim einer kanadischen Stadt verbringen. Mitten unter Landstreichern und Drogensüchtigen habe sie gelernt, dass man Menschen nicht nach ihrem Äusseren beurteilen dürfe. „Wir sind alle gleich, egal wie man aussieht“, sagt die Miss Schweiz des Jahres 2003. Ihre freudlose Kindheit und Jugend lässt sich in allen ihren Erzählungen und Anekdoten immer wieder heraushören. Als sie erst mit 12 Jahren vom Keuchhusten heimgesucht worden sei, da habe sie die bittere Erfahrung machen müssen, dass sie zu sich alleine schauen müsse, weil auf ihre depressive Mutter kein Verlass war. Auch sie selbst habe schwer unter Depressionen zu leiden gehabt. In ihrem ersten, eher autobiographischen Buch, beschreibt sie ausgiebig die Symptome ihrer früheren Depressionen.
Ich war sehr schüüch als Meiteli. Ich musste mich herausfordern und aus meiner Schale kommen.
Bianca Sissing
In einer Mischsprache aus Schweizerdeutsch, Hochdeutsch und kanadisch-englischem Slang bezirzt sie charmant ihre Zuhörerschaft. Begegnungen mit Menschengruppen seien für sie gleichermassen stressig wie faszinierend. Bereits nach wenigen Sekunden wisse man, was vom Gegenüber zu halten sei, gibt sich Bianca Sissing überzeugt. Dafür verantwortlich sei die Energie. „Ich betrete einen Raum und spüre die Energie der Menschen, die sich darin aufhalten“, sagt Sissing. Energie bestehe aus Gefühlen und Gedanken, doziert die Autorin und berichtet von einer japanischen Studie, die sie zutiefst beeinflusst habe.
Energie beeinflusst uns. „Füllen Sie drei Gläser mit Wasser“, fordert uns Bianca Sissing auf. „Nun sprechen Sie zum ersten Glas liebevoll und nett. Zum zweiten Glas sprechen sie gar nicht, sie ignorieren das zweite Glas einfach. Mit dem dritten Glas sprechen Sie voller Hass und Sie gebrauchen die schlimmsten Fluchwörter, die Sie kennen. Nun untersuchen Sie bitte das Wasser der drei Gläser unter dem Mikroskop. Das Ergebnis ist unglaublich und überraschend: Die Wasserkristalle aus dem Glas, das mit Hass angeredet wurde, sind undefinierbar und verworren. Die Wasserkristalle aus dem Glas, das ignoriert wurde, sind einfach unansehnlich. Die Wasserkristalle aus dem Glas aber, das mit Liebe angesprochen wurde, sind wie wunderschöne Schneekristalle und ähneln zauberhaften Schneeflocken-Formen. Was lernen wir aus dieser japanischen Studie? Der Mensch besteht zu 80 Prozent aus Wasser. Alles, was wir tun und wie wir uns geben, alles was wir aussprechen und wie wir mit anderen Menschen umgehen, beeinflusst uns. Und nicht nur uns selbst beeinflussen wir, sondern immer auch unsere Mitmenschen“, ist Bianca Sissing überzeugt.
Die Tipps und Ratschläge, die uns Bianca Sissing in ihrem neuen Buch vermittelt, sind tatsächlich leicht und ohne grossen Aufwand zu befolgen. Allerdings sind sie möglicherweise nicht jedermanns Sache. Als einziges männliches Wesen unter Sissings weiblicher Zuhörerschaft erntete ich von der schönen Meisterin tadelnd-auffordernde Blicke, weil ich mich hinter meinem Notizbuch verkroch, anstatt: „Hände auf die Knie legen, Augen zumachen, auf die Atmung hören, die Atmung spüren, sich entspannen, und jetzt: Summen! Und tief einatmen! Und Summen!“ Also ich gestehe, mein männliches Brummen unter dem femininen Gesäusel hätte sich angehört wie das Brummen einer Hummel in einem Bienenstock mit lauter fleissigen Arbeitsbienchen. Dabei wäre Summen doch so gesund für die Hirnzellen, weiss die Autorin.
„Ich bin grossartig!“ Sowas geht einem nicht mehr so leicht aus dem Kopf, zumal wir, die wir zu Gast bei der schönen Meisterin waren, eine Hausaufgabe gefasst haben, die es in sich hat: Täglich und mindestens zwei Wochen lang werden wir nun zu Hause vor dem Spiegel laut und deutlich und in Wiederholungen zu unserem Spiegelbild sagen: „Ich bin grossartig!“ und „Ich bin grossartig!“ und… Immerhin hatte die schöne Meisterin auch für schwierigere Kunden wie für mich viel Brauchbares im Angebot. Natürlich verrate ich Ihnen an dieser Stelle nicht alle die guten Ratschläge, denn Sie sollen ja das Buch lesen. Deshalb nur so viel: Jeden Tag mindestens 30 Minuten schnell gehen, das soll auch schon recht hilfreich sein. Machen wir doch gerne, schöne Meisterin!
Lesen Sie mehr zum neuen Buch von Bianca Sissing in meiner Blog-Geschichte vom 26. Februar 2022.
Text und Fotos: Kurt Schnidrig