Milena Moser stammt aus Zürich und lebt seit 2015 in den USA, in San Francisco. Den Durchbruch als Schriftstellerin hatte sie bereits in den frühen 1990er Jahren geschafft mit Romanen wie „Die Putzfraueninsel“ oder „Das Schlampenbuch“. Nun legt sie mit „Der Traum vom Fliegen“ ihren bereits 14. Roman vor.
Sofia, die Protagonistin in Milena Mosers Roman, dürfte vielen Leser*innen bereits aus den Romanen „Land der Söhne“ und „Mehr als ein Leben“ bekannt sein. Im aktuellen Roman kommt Sofia in eine Klinik, denn sie hat 30 Kilogramm an Gewicht zugelegt und sollte abnehmen. Das Buch handelt jedoch keineswegs von psychischen Krankheiten, und es ist auch kein Buch über Ess-Störungen. „Der Traum vom Fliegen“ ist vielmehr ein Buch über Eigenschaften, die uns ausmachen. Ein Buch über Eigenschaften, die uns schaden oder auch stark machen können. Es ist dies ein schwergewichtiges Thema also, das Milena Moser in ihrem neusten Roman aufgreift. Sie tut dies wunderbar unterhaltsam. Der Autorin gelingt es, in ihrem Buch auf eine grosse menschliche Tiefe hinzuweisen. Es geht um Schwächen und Stärken, die in uns allen angelegt sind. Mit ihnen müssen wir leben, mit ihnen dürfen wir leben.
Im rro-Interview erklärt Milena Moser die aussergewöhnliche Thematik und ihre ebenso aussergewöhnliche Protagonistin Sofia. Und sie weist auf die Botschaft hin, die ihr aktueller Roman „Der Traum vom Fliegen“ transportiert:
Kurt Schnidrig: Frau Moser, Sie haben uns einen wunderschönen Abend in der ZAP Brig bereitet. Ein Satz von Ihnen hat mich ganz besonders berührt: „Ich lasse mich von meinen Figuren in die Geschichte hineinziehen.“ Wollen wir unsere Zuhörer*innen auf die Protagonistin in Ihrem Buch neugierig machen?
Milena Moser: Das ist die 20-jährige Sofia, die in einer Klinik landet. Oberflächlich gesehen ist der Grund für die Einweisung in die Klinik, dass sie so sehr an Gewicht zugelegt hat. Es stellt sich dann aber heraus, dass Sofia eine Art „Superkraft“ hat. Sofia kann fliegen, und sie versucht die Sache mit dem Fliegen zu verhindern, indem sie an Gewicht zulegt um so die Bodenhaftung nicht zu verlieren. In der Klinik trifft sie auf andere Gleichgesinnte, die ebenso seltsame Fähigkeiten haben und nicht genau wissen, was sie mit ihren seltsamen Fähigkeiten anfangen sollen. Sie gründen in der Klinik so einen Art Geheimclub der Unfreiwilligen. Sie suchen herauszufinden, wie sie mit ihren seltsamen Fähigkeiten zurechtkommen, ob sie eine besondere Aufgabe haben und wie diese Aufgabe aussehen soll.
Kurt Schnidrig: „Der Traum vom Fliegen“ – so der Titel Ihres Buches. In der Literaturgeschichte ist der uralte Wunsch des Menschen, fliegen zu können, ein traditionelles Thema, ein Topos. Bereits die griechische Sage von Dädalus und Ikarus handelt davon. Wo ist Ihr moderner und aktueller Anknüpfungspunkt zu sehen?
Milena Moser: Keine Ahnung, das hatte ich mir nicht bewusst überlegt. Mich hat das Thema von Beginn an „schockiert“, es ist dies nicht ein Thema, das ich mir ausgesucht hatte. Die Figur hatte mir das Thema quasi „in den Schoss geworfen“. Ich musste dann einfach etwas damit anfangen. Zu Beginn war ich sehr konsterniert, als ich erfahren habe, dass diese Figur fliegen kann. Ich fragte mich: Was soll jetzt das? Persönlich habe ich allerdings auch etwas mit meiner Figur gemeinsam. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich weiss, wie sich das Fliegen anfühlt, weil ich im Traum oft fliege.
Kurt Schnidrig: Ihr Buch sollte also nicht missverstanden werden. Ihr Buch handelt von einer Frau, die bewusst an Gewicht zulegt, aber es ist kein Buch über Essstörungen…
Milena Moser: Nein, auf gar keinen Fall. Und obschon das Buch in einer Klinik spielt, ist es auch kein Buch über psychische Krankheiten, sondern es ist ein Buch über jene Eigenschaften, die uns ausmachen, die sich gegen uns wenden können, die aber auch unsere grössten Stärken sein können.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig