In Frankfurt am Main steht das Geburtshaus des Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Zu seinem 275. Geburtsjahr feiern wir dieses Jahr ein Goethe-Jahr. In Frankfurt ist Goethe aufgewachsen, und hier verbrachte er auch einen Grossteil seiner Jugend. In seinem Elternhaus hatte er bereits erste Werke verfasst. Aus der Frankfurter Zeit stammt der Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“, der Goethe über Nacht weltberühmt gemacht hatte.
Frankfurt am Main nimmt das Goethejahr zum Anlass, um Lehrkräften im gesamten deutschsprachigen Sprachraum eine Weiterbildung über das Schaffen des jungen Goethe anzubieten, aber auch ganz allgemein über Möglichkeiten des literarischen Schaffens in frühen Jahren der Kindheit und der Jugend.
Mehrmals verliess Goethe seine Geburtsstadt Frankfurt, um sich auf weite Reisen zu begeben. Das Reisen war damals mir grossen körperlichen Strapazen und auch mit Risiken verbunden. Goethe verspürte bis ins hohe Alter hinein einen immensen Bewegungsdrang in sich. Immer wieder ist er zu gewaltigen Wanderungen aufgebrochen. Drei Wanderungen führten in auch in die Schweiz. Auf den Schweizer Reisen stand immer das Naturerlebnis im Vordergrund. Auch philosophische Gedanken tauchten beim Wandern auf. Goethe hatte den Wunsch, herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält.
„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält – wo fass ich dich, unendliche Natur?“
Johann Wolfgang von Goethe in der Tragödie „Faust“
Im Jahr 1779 durchwanderte Goethe das Oberwallis. Goethe hatte diese Reise als eine „Reise zum wahren Selbst“ bezeichnet. Auf der Wanderung durchs Oberwallis war der Dichterfürst gefühlsmässig aufgewühlt, denn er durchlebte mit jeder Faser die damalige wilde Zeit des Sturm und Drang. Vor allem war es eine leidenschaftliche Liebschaft zu einer Frau, zu Lili Schönemann, die seine Leidenschaft entflammte. Es war jedoch eine Liebe, die für ihn unerreichbar war. In dieser Zeit schrieb Goethe an seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“.
Unter all diesen Vorzeichen wanderte Goethe durchs Oberwallis, begleitet von seinem Freund, dem Herzog Carl August. Was Goethe seinem herzoglichen Freund auf dieser Wanderung alles zugemutet hatte, war ein grandioses Abenteuer, das den beiden Reisenden physisch und psychisch alles abverlangt hatte.
Adolf Muschg, ein ehemaliger Literaturprofessor an der ETH Zürich, hat die Reise Goethes durchs Oberwallis und bis hinauf auf den Furkapass beschrieben in seinem Buch „Der weisse Freitag“. Am 12. November 1779 erreichte die Expedition mit Goethe und dem Herzog Carl August den Furkapass. Es hatte unglaublich viel geschneit, der Schnee lag meterhoch. Die Expedition kam an ihre Grenzen, die Reisenden drohten in den Schneemassen zu versinken. Wie Muschg in „Der weisse Freitag“ schreibt, artete die Expedition für die Teilnehmer zu einem wahren „Crash-Test“ aus: Goethe liess sein gesamtes Leben in Gedanken Revue passieren.
„Gerade an diesem Ort hat sich Goethe vorstellen können, alle liegengebliebenen Dramen in Ruhe zu vollenden. Dies hat er dann anschliessend auf einer italienischen Reise getan.“
Adolf Muschg in: „Der weisse Freitag“
Der Furkapass also als Geburtsort und als Quelle für weltbekannte Goethe-Dramen – das ist ein Befund, der auch aus literaturgeschichtlicher Sicht ein Denkmal hoch oben auf dem Furkpass verdient hätte.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig