Die Unwetterkatastrophen und Überschwemmungen bewegen auch Literatinnen und Literaten. In der Literatur hat sich dazu auch ein besonderes Genre entwickelt, das sogenannte „Nature Writing“. Ein Beispiel dafür ist das Buch „Zugunruhe“ des Schweizer Autors Levin Westermann. Wir haben ihn kürzlich in Leukerbad getroffen.
„Nature Writing“ liesse sich übersetzen mit Naturliteratur, Naturtext oder naturbezogenes Schreiben. Genau genommen ist „Nature Writing“ keine neue Erfindung. Zu den Klassikern des Nature Writing gehören die Werke von Jean-Jacques Rousseau, von Alexander Humboldt oder auch von Henry David Thaureau. Damals, im frühen 18./19. Jahrhundert, hatte man unter dem Begriff „Nature Writing“ aber noch die Erforschung neuer Erdteile mit fremdartiger Flora und Fauna verstanden.
Das „Nature Writing“ unserer Tage befasst sich eher mit dem Kampf gegen die Zerstörung von Natur und Umwelt, hervorgerufen durch die Achtlosigkeit der Menschen.
Ein aktuelles Beispiel für das Genre „Nature Writing“ ist das Buch des Schweizer Autors Levin Westermann. Das Buch trägt den Titel „Zugunruhe“. Mit „Zugunruhe“ sind nicht etwa Probleme der Schweizerischen Bundesbahn gemeint, nein, der Begriff stammt aus der Vogelkunde, aus der Ornithologie.
In der Ornithologie meint der Begriff „Zugunruhe“ die Rastlosigkeit der Wandervögel, die Sehnsucht der Vögel nach einem Aufbruch, dies gemäss ihrem Instinkt, weit weg in andere, fremde Länder zu fliegen. Die „Zugunruhe“ lässt sich aber auch auf ein menschliches Verhalten beziehen: Der Mensch fürchtet sich vor der fortschreitenden Zerstörung von Natur und Umwelt und vor der Klimakrise. Er ängstigt sich vor der Natur, die in den Texten des „Nature Writing“ zurückschlägt.
Was aber sind Warnsignale, welche die Autorenschaft des Nature Writing in ihre Texte hineinverpackt? Im Buch „Zugunruhe“ wandert der Erzähler durch unsere Wälder. In den Wäldern fristen viele Tiere ihr Dasein, ihnen allen sollten wir – gemäss dem Autor – „ein Bleiberecht auf Lebenszeit“ zugestehen. Leider wird dieses Bleiberecht der Tiere seit Generationen von den Menschen missachtet. Der Mensch zerstört nach und nach alles, was den Lebensraum der Tiere ausmacht.
Der Autor Levin Westermann zeigt in seinem Buch „Zugunruhe“ viel Empathie, er fühlt sich ein in das Wesen der Tiere und versucht herauszufinden, wie es um das Wohlergehen der Tiere bestellt ist. In seinem Buch führt uns der Autor vor Augen, was ihn und was die Tiere in unseren Wäldern stört. Der Autor beschreibt eine Welt, die umzukippen droht. Und mitten drin in dieser beschädigten Welt schreibt der Autor gegen den Untergang an.
Kann ein Zusammenleben zwischen Mensch und Natur überhaupt noch gelingen? In seinem Buch „Zugunruhe“ findet der Autor keine Antworten, die uns zuversichtlich stimmen könnten. Im Gegenteil. Der Autor fiebert auf das Ende der Menschheit hin. Der Autor protokolliert die ungezügelte Zerstörungswut der Menschen. Die Menschheit sieht er als eine Spezies, die ausser Rand und Band geraten ist. Eine Spezies auch, die vergessen zu haben scheint, dass sie diesen Planeten nicht für sich allein gepachtet hat. Wir sind umgeben auch noch von anderen Lebewesen.
An einem Kipp-Punkt sei die Menschheit nun angekommen, warnt der Autor, jetzt müssten wir aufstehen und aufbegehren gegen den drohenden Untergang. Dazu bräuchte es Einfühlungsvermögen mit allem, was falsch läuft. Angefangen bei den radioaktiv verstrahlten Kühen bis hin zu den missbrauchten Labor-Tieren.
„Zugunruhe“ von Levin Westermann führt uns vor Augen, wie wir mit unserer Umwelt mitfühlen und miterleben können. Vor allem aber zeigt der Autor, wie wir uns als Teil des Kosmos fühlen können. Es ist dies ein Kosmos, der dem Untergang geweiht ist. Es sei denn, dass doch noch eine Umkehr oder zumindest ein Marschhalt auf dem fatalen Weg in die Zerstörung eingelegt werden kann.
Hören Sie dazu den Podcast aus der Live-Sendung von Radio Rottu Oberwallis. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Simon Kalbermatten)
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig