Krimi-Autorin Christine Brand in der ZAP Brig über ihre morbide Ader und über ihren neuen Krimi „Vermisst – Der Fall Emily“

Christine Brand stellte den neusten Band aus ihrer Cold-Case Krimireihe in der ZAP Brig vor: „Vermisst – Der Fall Emily“ (Bild: Kurt Schnidrig)

„Der Tod wird heute tabuisiert, er ist aber etwas ganz Normales“, sagt Krimi-Autorin Christine Brand in der ZAP Brig. Wer sie kenne, habe auch schon die Frage gestellt: „Du bist doch ein sonniges Gemüt, weshalb diese morbide Ader beim Schreiben?“

Im Emmental, wo sie aufgewachsen ist, sei sie vom Tod umgeben gewesen, erklärt Christine Brand. In ihrer Nachbarschaft sei in einer Metzgerei geschlachtet worden, Jäger hätten die erlegten Rehe aufgehängt. Nicht zuletzt aber habe der Beruf ihres Vaters bei ihr Spuren hinterlassen. Ihr Vater war Bestatter.

„Alle sind wir sterblich“, resümiert Christine Brand, „wohl auch deshalb bin ich ein Mensch, der sehr im Moment lebt.“ Psychologisch leide sie unter einem Kindheitstrauma. Als Anfang der Siebzigerjahre gleich mehrere Kinder verschwanden, habe sie das sehr aufgewühlt. Was ist mit diesen Kindern passiert, habe sie sich gefragt. Was ist beispielsweise mit dem Walliser Mädchen Sarah Oberson passiert, das damals verschwand und nie mehr aufgetaucht ist?

Es handle sich dabei um Fälle, die nun in irgendeiner Schublade liegen, „Schubladenfälle“. In Deutschland kümmere man sich um derartige Fälle, weiss Christine Brand, in der Schweiz hingegen sei dies nicht der Fall.

Über die Figuren in ihren Krimis sagt die Autorin: „Ich hüpfe von einem Kopf in den anderen, vom Kopf von Manou Loewenberg in den Kopf von Vera – braucht es dazu eine bipolare Störung?“, fragt sie ihr Publikum und spricht damit das literarische Kunstmittel der Erzählperspektiven an.

Als Autorin schlüpfe sie in verschiedene Persönlichkeiten. „In meinen Krimis bin ich Stückeschreiberin, Regisseurin, Schauspielerin, die Frau, welche den Vorhang für ihre Leserschaft hebt, dazu übernehme ich die Rollen der Täter ebenso wie jene der Opfer. Sie habe auch schon aus der Ich-Perspektive einer Rollstuhlfahrerin erzählt und dabei diese Perspektive so sehr verinnerlicht, dass sie sich tatsächlich als im Rollstuhl befindlich gefühlt habe.

„Es ist ein Wunder, dass ich nicht längst verhaftet worden bin, zum Beispiel wegen strafbarer Vorbereitungshandlung“, erzählt Christine Brand. Die Polizei beantworte ihr bereitwillig Fragen wie „Wie könnte ich eine Bombe ins Bundeshaus schmuggeln?“ oder „Wie kann man jemanden töten, ohne dass es auffällt?“ oder „Wie findet man heraus, wie lange eine Leiche schon an einem Baum gehangen hat?“ Die Polizei als Freund und Helfer beliefere sie als Krimi-Autorin manchmal auch mit Tatort-Fotos.

Christine Brand im Exklusiv-Interview mit Radio Rottu Oberwallis (Bild: rro)

Kurt Schnidrig: Christine Brand, Sie haben eine lange Karriere hinter sich als Lehrerin, Journalistin, TV-Mitarbeiterin, Krimi-Autorin – was hat schliesslich den Ausschlag gegeben, dass Sie freischaffende Krimi-Autorin wurden?

Christine Brand: Dass ich in der Ecke „Kriminalromane“ gelandet bin, das hatte seinen Ursprung schon sehr früh. Mein Vater war Bestatter und hatte mit der Polizei zusammengearbeitet. Dadurch habe ich bereits eine morbide Ader von Haus aus mitbekommen. Als ich dann in der Ausbildung zur Lehrerin war, hatte ich die Möglichkeit, als Besucherin einen Gerichtsfall zu besuchen. Es handelte sich dabei um einen Mordfall. Die Welt der Gerichte hat mich ungemein fasziniert. Als ich als Journalistin zum ersten Mal die Möglichkeit sah, über einen Gerichtsfall zu berichten, da habe ich meine Ellbogen ausgefahren und sagte: „Ich möchte diesen Gerichtsfall übernehmen!“ So kam es, dass ich Gerichtsreporterin wurde, und dies ist denn auch der Ursprung, weshalb ich jetzt Krimis schreibe.

Frau Brand, eigentlich haben Sie mit der Milla Nova-Krimi-Serie bereits einen grossen Erfolg gelandet. Jetzt wechseln Sie zu einer neuen Krimi-Serie mit dem Titel „Vermisst – der Fall von…“ Dazu sind nun auch bereits wieder zwei Bände erschienen. Warum dieser Wechsel zu einer neuen Krimi-Serie?

Bei der Milla Nova-Serie ist es mir ähnlich ergangen wie früher in meinem Job als Journalistin: Wenn man das vierte oder fünfte Mal über ein Schwingfest schreibt oder über das gleiche Stadtfest, dann hat man plötzlich nicht mehr die „spritzigen“ Ideen, man fragt sich: Wie könnte ich jetzt diese Geschichte noch anders erzählen? Die Journalistin und Ermittlerin Milla Nova hat mich nun schon in mehreren Büchern begleitet. Als ich dann bemerkte, dass Milla Nova schon zum dritten oder vierten Mal in einem Keller eingesperrt war, aus dem sie nicht mehr herauskam, da habe ich realisiert: Jetzt wiederhole ich mich, jetzt muss ich etwas Neues machen! Daraufhin habe ich die Serie „Vermisst“ gestartet, eine Serie, die mir auch sehr am Herzen liegt, denn es geht darum, dass Malu Loewenberg, die neue Ermittlerin, sogenannte „Cold Cases“ löst und nach Menschen sucht, die schon lange vermisst werden. Darüber zu schreiben, bereitet mir nun grosse Freude.

Sie sind in der Kriminalistik sozusagen zu Hause, Sie schildern die Kriminalfälle authentisch. Wie haben Sie in der Kriminalistik Fuss fassen können?

Das ist schwierig zu sagen. Ich war eine sehr junge Journalistin als ich mit Gerichtsreportagen angefangen habe. Das hat mich von Anfang an sehr fasziniert. Ich hatte die Möglichkeit, mit der Polizei zusammenarbeiten zu dürfen. So habe ich dann auch kriminaltechnische Reportagen verfasst. Eine Freundin, die einen Verlag gegründet hatte, hat mir dann geschrieben, ob ich nicht auch mal einen Kurzkrimi schreiben wolle, der im Emmental spielt, wo ich ja herkomme. Da habe ich zugesagt wie bei einer Hochzeit mit „Ja, ich will!“ Es hat mir sehr viel Spass bereitet, auch mal fiktive Geschichten zu schreiben. Später habe ich dann nachgefragt, ob ich nicht doch auch einmal einen Kriminalroman schreiben könnte. Meine Freundin und Verlegerin sagte: „Ja, versuche es doch einfach einmal!“ So bin ich bei der Kriminalfiktion gelandet. Ich habe sehr viel von meinen Erfahrungen als Gerichtsreporterin und Journalistin einfliessen lassen in meine fiktiven Krimis.

Nun also diese „Cold Case-Krimi-Serie“. Bereits liegt der zweite Band dieser Serie vor. Es geht um den „Fall Emily“. Was wollen wir Ihren Leserinnen und Lesern davon verraten?

Also im Buch „Vermisst – Der Fall Emily“ geht es um ein vermisstes Kind, um Emily. Es handelt sich um einen „Cold Case“, zu dem die Polizei nichts herausfinden konnte. Vor vier Jahren ist das Kind auf einem Spielplatz verschwunden, völlig aus dem Nichts, plötzlich war das Kind wie vom Erdboden verschluckt. Die Polizei hat diesen Fall „herausermittelt“, das heisst, er liegt als „Cold Case“ in einer Schublade und verstaubt dort, weil man einfach nichts herausgefunden hatte. Die Mutter von Emily geht nun ins Vermisstenbüro von Malou Loewenberg, einer privaten Ermittlerin. Malou Loewenberg ist ihre letzte Hoffnung, sie soll herausfinden, was mit Tochter Emily vorgefallen ist. Malou Loewenberg startet ihre Ermittlungen und stösst dabei auf einen Fall von einem Kinderhändlerring, der Kinder nach Frankreich entführt. Bei den Kindern handelt es sich vor allem um unbegleitete Flüchtlingskinder, die in Paris zu Taschendieben ausgebildet werden. Das allerdings ist nur eine von vielen Spuren, die Malou Loewenberg verfolgt. Die Ermittlerin blickt auch noch in ganz andere Abgründe, mit denen sie nicht gerechnet hat und die sie zutiefst erschüttern…

ZAP-Mitarbeiterin Mirella Giammaresi freute sich über das zahlreiche Publikum und die gefragte Krimi-Autorin lieferte spannenden Lesestoff für die Sommerferien (Bild: Kurt Schnidrig)
Hören Sie dazu den Podcast aus der Sendung Literaturwelle von Radio Rottu Oberwallis (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Tiziana Imoberdorf / Simon Kalbermatten)

Text, Interview, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig