Wie lässt sich mit wenig Text und mit aussagekräftigen Illustrationen erklären, was es mit „Corona“ auf sich hat? Wie lassen sich komplexe Inhalte kindgerecht zwischen Buchdeckel verpacken? Die beiden Grafiker Priska Wallimann und Marcel Aerni haben mit einem Büchlein versucht, eine Antwort auf diese Fragen zu geben. („Corona – Das Virus für Kinder erklärt“. Verlag wörterseh, April 2020.)
Das Virus als Ich-Erzähler. „Ich bin ein Coronavirus, und ich erzähle dir jetzt, warum unser tägliches Leben nicht mehr so ist, wie wir es gewohnt sind.“ So etwa beginnt das Virus als Ich-Erzähler seine Erklärungen. Das Virus erklärt sodann gleich selber, warum es für das menschliche Immunsystem nicht zu erkennen sei. Erläuternde Illustrationen sorgen für Klarheit bei Fachbegriffen. So wird das Immunsystem dargestellt als Ritter, der sich mit einem Schild vor Angriffen schützt. Das Virus ist einziger Protagonist in diesem Büchlein für Kinder. Im Verlauf der Ich-Erzählung berichtet das Virus aus erster Hand, wie es sich verbreitet und wie es auf „Kunden“ wartet. Etwas paradox mutet an, dass das Virus offenherzig gleich selber verrät, wie man den Kampf gegen Corona gewinnen kann.
Kindgerechte Erklärungen. Das Virus im Bilderbuch sagt „Ich“, das Virus erzählt aus seinem Leben. So weit, so gut. Sowas ist ohne Zweifel kindgerecht. Der Autorenschaft des Bilderbüchleins gebührt Anerkennung für die plausible und leicht verständliche Darstellung. Es gelingt ihnen, das Wesen, die Ansteckungsgefahr und die Strategien im Kampf gegen Corona phantasievoll zu visualisieren und mit prägnanten Texten auf den Punkt zu bringen.
Paradox anmutende Textstellen. Nebst guten Ansätzen stellen sich aus Erwachsenenperspektive dennoch einige Fragen zur Dramaturgie des Büchleins. Da versucht sich beispielsweise das Virus bei den Kindern als Freund einzuschleichen mit Worten wie diesen: „Hab keine Angst vor mir, ich mache lieber Erwachsene krank.“ Da stellen sich einem (erwachsenen) Leser doch einige unbequeme Fragen. Sind es nicht auch die Erwachsenen – die Mama, der Papa, die Oma, der Opa – die dem Kind ans Herz gewachsen sind? Kann es für ein Kind tröstlich sein, wenn das Virus diese seine Bezugspersonen krank macht? Eine weitere problematische Aussage ist die folgende: „Dein Haustier mache ich nicht krank, ich mache lieber die Erwachsenen krank.“ Hauptsache, das Haustier bleibt gesund. Und die Erwachsenen sind „quantité négligeable“? Das scheinen doch eher problematische Aussagen zu sein, die einer vertiefenden Texterklärung bedürften.
Chamäleonhaftes Virus. Einerseits gibt sich im Büchlein das Virus als krankmachender Bösewicht. Andererseits spricht das Virus zum Schluss dem Kind sogar seinen Dank aus, es sagt danke dafür, dass das Kind auf sich selbst aufpasst und auf andere. Es wäre vielleicht doch angezeigt gewesen, nebst dem bösartigen Virus auch noch eine Pflegefachperson im Büchlein auftreten zu lassen, die vor dem Virus warnt und die glaubwürdig Strategien im Kampf gegen das Virus aufzeigt. Es wäre dann auch die Pflegefachperson, die am Schluss den Dank ausspricht dafür, dass wir alle die Hygienemassnahmen einhalten und Distanz halten. Das sind dramaturgische, aber auch psychologische Überlegungen. Sie erfordern, dass ein Kind beim Lesen und beim Betrachten dieses Büchleins nicht allein gelassen wird. Die begleitenden Erklärungen einer Bezugs- oder Erziehungsperson sind bestimmt hilfreich.
Priska Wallimann, Marcel Aerni: Corona – Das Virus für Kinder erklärt. Verlag wörterseh, April 2020. Das Büchlein ist auf allen Onlineportalen des zur Zeit geschlossenen Buchhandels bestellbar. Auch als E-Book.
Text und Foto: Kurt Schnidrig