Er hat den Camenisch-Sound kreiert, einen spannenden Konzert-Vortrag von lebensechten Themen in überaus sympathischer Bündner Bergler-Sprache. Und den Camenisch-Sound will er auch weiterhin pflegen, auch wenn die Literatur-Kritik motzt, er müsse sich selbst nun allmählich neu erfinden um weiterhin erfolgreich zu sein. „Die Rolling Stones sind die Rolling Stones und der Camenisch ist der Camenisch“ schwadroniert er selbstbewusst und charmant in mein rro-Mikrofon. Zu einer Kehrtwende in seinem literarischen Schaffen sehe er sich keineswegs veranlasst, aber sein neues Buch, das insgesamt 12., sei doch immerhin „etwas anders“.
„Der Schatten über dem Dorf“ – so heisst sein neues Buch, auch wieder ganz in weiss, mit grauem Schutzumschlag und auch wieder mit fast ganz genau 100 Seiten, alles wie bereits 12x gehabt. Doch diesmal ist dennoch etwas anders. „Das 12. Buch ist gleichzeitig auch der Schlüssel zu meinen anderen Büchern“, erklärt er mir. „Da laufen alle Fäden zusammen.“
„Irgendwann würde der Frühling wiederkommen, sagte sein Grossvater immer, das Dorf lag während Monaten im Winter im Schatten, aber die Leute wussten, dass die Zeit kam, dass die Sonne wieder kam.“
Klappentext zu „Der Schatten über dem Dorf“
In seinem neusten Roman erzählt Arno Camenisch von einem Dorf in Graubünden, das von einer Tragödie überschattet wird. Die Tragödie geschah eineinhalb Jahre, bevor der Erzähler auf die Welt kam. In einem berührenden Ton berichtet Camenisch von den grossen Themen des menschlichen Lebens. Er macht uns vertraut mit Menschen, die von uns gingen und die wir weiter im Herzen tragen. Wie gehen wir mit dem schmerzenden Verlust um? Heilt die Zeit wirklich alle Wunden? Wie lässt sich Zuversicht am Leben erhalten, die Zuversicht, dass mit dem Frühling auch die Sonne wieder ins Leben zurückkehrt?
Sein Charisma und seine universellen Themen sind es wohl auch, die ihm beim Multimedia-Festival „Berg, Buch, Brig“ ein bis auf den letzten Platz besetztes Zeughaus Kultur bescherten. „Graubünden und das Wallis sind einander nahe“, kommt Camenisch im Gespräch mit mir ins Schwärmen. Und: „Was ich erzähle, geht den Menschen nahe. Sie erkennen sich darin.“ Seine ganze Kindheit und Jugend liege wie ein Schatten über diesem Dorf. Seit der Katastrophe, die sein Dorf vor Jahren heimgesucht habe, drehe sich bei ihm alles um die Frage, wie mit dem Verlust umzugehen sei. Doch sei er nicht der Einzige, der sich mit solch quälenden Fragen herumzuschlagen habe. „In meinen Geschichten finden sich alle irgendwie wieder“, sagt er, „alle haben wir Menschen verloren, die wir geliebt hatten, die in unseren Herzen waren.“
„Das ist mein persönlichstes Buch“, fasst Arno Camenisch zusammen. Ja, das Buch sei „komplett autobiographisch“. Darin erzähle er, was er persönlich erlebt habe. Er erzähle die Tragödie seines Dorfes und dessen Bewohner so, wie er sie erlebt habe. „Der Erzähler im Buch bin ich, ich zeige mich im Buch ganz unverhüllt“, gesteht Camenisch. Das Dorf, in dem er aufgewachsen sei, das sei ein „kleiner Kosmos“. Die ganze Welt komme darin vor. „Es geht um alles, was uns im Kern ausmacht.“ Die zeitlosen Fragen würden ihn interessieren: die Liebe, der Tod und das Leben an sich. Es seien dies universelle, zeitlose Themen. Und die Menschen, die Leserinnen und Leser, würde sich darin wiedererkennen.
„Der Mensch ist alles, was ihn ausmacht“, gibt mir Arno Camenisch mit auf den Weg. „Der Mensch liebt, hofft und zweifelt. Er ist alles. Wenn ich in den Bergen bin, hole ich mir dort die Kraft zum Leben. Ich bin mir jedoch bewusst, dass es erhebende Momente gibt, aber da sind auch die schwierigen Zeiten. So ist das Leben.“
Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig