Der Roman „Die grosse Angst in den Bergen“ gilt als das Hauptwerk des Westschweizer Schriftstellers Charles Ferdinand Ramuz (1878-1947). Ramuz hatte sich damals von einer alten Walliser Sage inspirieren lassen.
Obschon vor Jahrzehnten geschrieben, sind die Themen des Romans wieder von brennender Aktualität. Erderwärmung, Überschwemmungen und Bergstürze prognostiziert Ramuz in seinem Roman, jedoch ohne je den moralischen Zeigefinger zu erheben.
Der Schauspieler Sigi Arnold las am Multimediafestival Berg Buch Brig aus „Die grosse Angst in den Bergen“ von Ramuz. Sigi Arnold wurde 1959 in Altdorf (UR) geboren und wuchs auf dem elterlichen Bauernhof auf. Nach der Lehrerausbildung übte er den Lehrerberuf ein Jahr lang aus. Danach besuchte er die Schauspielschule in Bern.
In den vergangenen Jahren war Sigi Arnold als freier Schauspieler und Sprecher mit eigenen Programmen und Theaterstücken unterwegs. Bekannt wurde er auch durch seine aussergewöhnlichen Vorleseprojekte. Aktuell ist Sigi Arnold auf Tournee zusammen mit dem Musiker Albin Brun. Im Rahmen eines Werkstipendiums setzt er sich mit dem Romantext „Die grosse Angst in den Bergen“ von Charles Ferdinand Ramuz auseinander.
Wir haben uns mit Sigi Arnold anlässlich seiner musikalischen Lesung am Multimedifestival Berg Buch Brig unterhalten.
Kurt Schnidrig: Herrn Arnold, wir haben zwei Stunden Ihrer Lesung „Die grosse Angst in den Bergen“ beigewohnt. Wie nahe gehen die Thematiken von Charles Ferdinand Ramuz Ihnen persönlich?
Sigi Arnold: Die Geschichten von Ramuz basieren auf einer Walliser Sage, die er gehört hatte. Derartige Geschichten verfügen immer auch über einen Kern Wahrheit. Aus diesen Geschichten geht auch hervor, wie wir mit der Natur umgehen sollten, damit sich die Natur nicht an uns rächt. In diesem Sinn handelt es sich um Themen, die mich persönlich auch berühren. Dass wir darauf achten sollten, was in der Natur geschieht, dies ist ein aktuelle Bezug zu heute.
Am Schluss Ihrer Lesung floss das Wasser aus den Gletschern und eine Überschwemmung katastrophalen Ausmasses war die Folge. Überschwemmungen gab es im vergangenen Sommer und Herbst auch bei uns zu beklagen. Verfügte Charles Ferdinand Ramuz über visionäre Fähigkeiten?
Ja, das kann man so sagen. Ramuz hatte auch noch andere Geschichten geschrieben, die heutzutage wieder sehr aktuell sind. Er hatte auch einen Roman geschrieben, der davon handelt, dass die Sonne nicht mehr wiederkommt, dass es dunkel und kalt bleibt. In einem anderen Roman beschreibt Ramuz, dass die Sonne immerfort scheint, dass es immer wärmer wird. Es ist in diesem Sinn also bestimmt etwas Visionäres in seinen Werken. Ramuz hat schon vor Jahrzehnten vorausgesehen, was auf uns zukommt. Das ist bei uns zu Hause auch so. Ich komme aus dem Kanton Uri, wir haben da auch mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen.
„Die Angst in den Bergen“, der Roman von Charles Ferdinand Ramuz, ist ja schon fast hundert Jahre alt, teilweise ist der Roman auch schon vergriffen. Warum haben Sie für Ihre Lesung ausgerechnet dieses Werk von Ramuz ausgewählt?
Erstens einmal wegen dem Inhalt, dann aber auch wegen der Sprache. Ramuz schreibt in einer wunderbaren Sprache. Es ist eine Sprache, die sehr filmisch ist. Folgt man den Geschichten von Ramuz, geschieht dies wie mit einer Kamera. Er geht ganz nahe an das Geschehen heran, dann geht er wieder weiter weg, macht dann auch den Blick weit auf für das Ganze. Vor allem ist es diese faszinierende Sprachgebung, die mich dazu motiviert hat, aufgrund dieses Werks einen Live-Abend zu gestalten.
Wäre es demnach wünschenswert, dass wir – auch in Bezug auf die aktuelle Klimadiskussion – den Schriftsteller Ramuz in die aktuellen Literaturlisten aufnehmen sollten?
Ja, auf jeden Fall, das kann ich nur empfehlen.
Vielen herzlichen Dank, Herr Arnold, und Gratulation zu Ihrer fantastischen Lesung.
Text, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig