
Die Osterspende von Ferden geht zurück bis ins 14. Jahrhundert. Damals sollen die drei Lötschentaler Alpen Faldum, Resti und Kummen ein Gelübde abgelegt haben. Mit dem Gelübde wollten sie ein Unheil abwenden, das sich unter ihrem Viehstand immer wieder ereignete. Die Viehbesitzer der sogenannten „Spendalpen“ heben sich seitdem jedes Jahr die saftigsten Weiden für den Weidegang vom 23. und 24. Juli auf. Die an diesen beiden Tagen gemolkene Milch wird dann von den Sennerinnen zu fettem Käse für die Spend verarbeitet.
Eine Sage erklärt den Ursprung der „löblichen Spend“. Nach dem Tode eines Sennen, der sich unrechtmässig bereichert hatte, wurden die Alpen Faldum, Resti und Kummen von einem verhängnisvollen Spuk heimgesucht. Ein böser Geist soll das Vieh aus den Ställen getrieben und es rastlos über Berge und Täler gejagt haben. Nach drei Tagen kamen die Kühe jeweils zurück. Zwischen ihren Klauen steckten Kornähren, und sie gaben mit Blut vermischte Milch. Die Alpgeteilten gelobten daraufhin, jedes Jahr die Milcherträgnisse von zwei Tagen an die Armen des Tals abzugeben. Das Gelöbnis wirkte. Der ruhelose Senn unterliess fortan sein böses Treiben.
Gekleidet mit der Sommertracht / am alten Brauch, der Spende, / führt sie die Gäste mit Bedacht, / erzählt von der Legende.
Vertieft in feierliche Andacht, / spricht sie das Dankgebet, / aller Gründer wird gedacht, / wie es im Buche steht.
„Vergält äs Gott z’tuisig Mal’n / und gäb ä Gott in ewig’n Lohn, / und bignad schi Gott alli / und gäb nän Gott d’ewigun Ruäh!“
Gedicht „Nadja“ von Bernadette Bellwald, im Buch: „Ä Liäbschaft“. Hommage an ein Tal.

Im Buch „Ä Liäbschaft“ – Hommage an ein Tal hat die Poetin Bernadette Bellwald aus Ferden und der Fotograf Sergio Rattaggi aus Kippel nebst vielen anderen Kostbarkeiten des Lötschentals auch die Osterspend von Ferden in Text und Bild wunderbar festgehalten. Jeder anwesende Talbewohner erhält einen Zigerwürfel, dazu Brot und Wein in vorgeschriebener Menge. Zuerst kommen die Spend-Berechtigten aus den Nachbargemeinden zum Zuge. Die Empfänger danken den austeilenden Männern mit den Worten „Vergelte es Gott tausendmal, und gebe Gott Euch den ewigen Lohn, und begnade sie Gott alle und gebe ihnen die ewige Ruhe“.
Im Gemeindekeller von Ferden wird der Frischkäse gelagert, der sommers nach dem 23. und 24. Juli zu Tale gebracht worden war. Hier wurde er zu Brei zerstampft und unter Zugabe von Salz zur Reifung in sogenannte „Rümpfe“ eingeknetet. „Rümpfe“ sind eigens hergestellte Fässer aus Tannenrinde, die dem Spendziger seinen besonderen Geschmack verleihen. Die mit der Wartung des Käses Beauftragten haben seit Monaten mit Stahlnadeln in die Rindenfässer gestochen, damit die entstandene Flüssigkeit ablaufen konnte.

„Ein wunderschöner, alter Brauch / ist die löblich‘ Spend‘ von Ferden. / Jeder macht davon Gebrauch, / nie darf sie vergessen werden.
Mädchen, Buben sind geladen / an die kleine Spende. / Dieser Bub erhält die Gaben / in seine bittend kleinen Hände.“
Gedicht „Die kleine Spende“ von Bernadette Bellwald, im Buch: Ä Liäbschaft. Hommage an ein Tal.
Am Ostermontag, dem grossen Tag für die Bewohner von Ferden, wird vor der Austeilung der Spende eine Gedächtnismesse für die verstorbenen Stifter und Wohltäter der Spend gefeiert. Nach der Morgenmesse stehen als erste die Kinder beim Gemeindehaus zur sogenannten kleinen Spende an. Zur Mittagszeit sind dann 400 bis 500 Portionen sogenannten „Spendzigers“ bereit, der schon am Morgen um fünf Uhr aus der Tannenrinde geschält und in Würfel von 6 bis 7 cm Seitenlänge geschnitten wurde. Es folgt eine Burgerversammlung, an welcher ausschliesslich über die Osterspende debattiert wird. Am Nachmittag sind zuerst die Gäste aus den anderen Talgemeinden an der Reihe, danach die Ferdnerinnen. Als letzte erhalten die Männer von Ferden am Dienstagabend ihre Spende.
Gelebtes Brauchtum. Obschon heute keiner der Empfänger mehr auf die Osterspende angewiesen ist, konnte sich dieser Brauch bis in die heutige Zeit hinüberretten. Der Brauch ist keine folkloristische Veranstaltung. Am Ostermontag begegnet man jedoch mit etwas Glück sonntäglich gekleideten Lötschentalerinnen, die auf einem Teller oder in einem weissen Tüchlein ihre „Spend“ nach Hause tragen. Im Gedicht „Nadja“ schreibt Bernadette Bellwald über so eine festlich gewandete und mit der „Spend“ beschenkte Lötschentalerin.

„Ä Liäbschaft“ – Hommage an ein Tal, das wundervolle Buch von Sergio Rattaggi (Fotografien) und Bernadette Bellwald (Texte), ist gefragt wie die Osterspend am Ostermontag. Obschon aufgrund der Massnahmen des Bundesrates bisher keine Vernissage stattfinden konnte, hat das Buch bereits sehr viele begeisterte Leserinnen und Leser gefunden. Wie die Dichterin Bernadette Bellwald mitteilt, konnte die Spend dieses Jahr zum Glück wieder durchgeführt werden, allerdings ohne Gäste und ohne einige Zeremonien. Auch die „Kinderspende“, die sogenannte „Kleine Spende“, habe stattgefunden, freut sich die Poetin. Auch Fotograf Sergio Rattaggi sei von der Spende „total begeistert“, fügt Bernadette Bellwald an. Im Buch „Ä Liäbschaft“ sind auch noch weitere religiöse und weltliche Feste in Bild und Text zu entdecken, dazu Vereine jeglicher Art, kurz, die breite Palette der kulturellen Vielfalt des Lötschentals, getragen von Jung und Alt.
Text: Kurt Schnidrig. Bilder: Zur Verfügung gestellt, herzlichen Dank!