Zum 25-Jahre-Jubiläum der „Rhone Saga“ im Jahr 2021 hätte das Hörbuch bereits erscheinen sollen. Die Pandemie erforderte eine Verschiebung. Nun aber erscheint das epochale Werk Pierre Imhaslys, die Rhone Saga, auch als Hörbuch.
Die „Rhone Saga“ zu hören anstatt sie bloss zu lesen, ist eine wertvolle Ergänzung. Denn Pierre Imhasly hatte experimentell geschrieben, er hatte mit der Sprache gespielt, sowohl rhythmisch als auch klanglich. Seine Texte dürfen nun nicht nur gelesen werden, sie müssten eigentlich per se und grundsätzlich zusätzlich auch angehört werden. Imhaslys Texte liegen zwar in gedruckter Form vor. Sollen die Texte jedoch in ihrer Lebendigkeit rüberkommen, müssen sie vertont werden. Die Verantwortlichen, die das Hörbuch produziert haben, dürfen deshalb ob ihres Vorhabens beglückwünscht werden. Das Hörbuch ist entstanden in Zusammenarbeit mit dem „klangbüro“, der „Aktionsgruppe Pierre Imhasly“ und „UPSIDE EDITION“.
Eine repräsentative Auswahl von Imhaslys Texten aus der „Rhone Saga“ vereinigt das Hörbuch. Als Sprecher*innen sind zu hören: Franziskus Abgottspon, Beat Albrecht, Stefanie Ammann, Barbara Heynen, Dani Mangisch, Annelore Sarbach, Barbara Terpoorten und Diego Valsecchi. Musikalisch wird das Projekt unterstützt durch den Bassisten und Klangkünstler Gilbert „Speedy“ Jossen.
Eine persönliche Begegnung mit Pierre Imhasly war mir letztmals im November 2000 im Visper Jazz Chälli vergönnt. Damals hatte er sich eine lange poetische Reise vorgenommen. Es hätte eine Reise ins neue Jahrtausend werden sollen. Das epochale Werk „Rhone Saga“ ist die erste Station auf dieser Reise. Die zweite Station ist eine paradiesische Dichtung, die den Namen „Paraiso si“ trägt. An einer dritten und vierten Station auf der Reise ins neue Jahrtausend hatte Pierre Imhasly bereits geschrieben. Es war ihm jedoch nicht mehr vergönnt, diese zu vollenden.
Eine handgeschrieben Karte von Pierre Imhasly aus dem Jahr 2000 bewahre ich sorgfältig auf. Auf die paar Zeilen meines Schriftsteller-Kollegen Pierre bin ich besonders stolz. Pierre hatte mir die folgenden Zeilen zukommen lassen: „Lieber Kurt – nicht üblich, korrekterweise, in unserem Metier, will ich Dir gerne herzlich danken für den Durchbruch, Einbruch, Dammbruch, den Du mir vielleicht geschaffen hast an dieser gnadenlos ungemütlichen Heimatfront.“
Die letzten Zeilen meines Schriftsteller-Kollegen Pierre beziehen sich auf meine publizistische Arbeit zu seiner Dichtung „Paraiso si“. Dabei handelt es sich um ein langes Gedicht. Pierre war ein Erzähler. Paraiso si ist ein Gedicht in drei Akten, und dies deshalb, weil auch die spanische Corrida, der Stierkampf, drei Akte hat. Fast wie beim Dichter Dante. Eine Art profane, weltliche Divina Commedia. Das Gedicht beginnt im alten Leben, hier unten auf Erden. Es folgt ein Zwischenteil in der Vorhölle, im Purgatorio. Schliesslich folgt der Paradiso-Teil, gewissermassen als vita nova, als ein neues Leben in einer anderen Welt.
Für Pierre Imhasly war bedeutend, dass „Paradiso“ bereits auf dieser Welt, auf dieser Erde, möglich sein muss. Es ist die Intention des Dichters, dass die Leserin oder der Leser dieses grandiose Werk zu vollenden hat. Denn es gibt viele Lesearten dieses wundervollen Imhasly-Textes. Seine Worte evozieren eine Melodie, ein jedes seiner Worte verfügt über eine besondere Aura. Paraiso si – Das Paradies hier unten auf Erden! Die Botschaft der Dichtung ist eindringlich: Wenn es auf Erden nicht möglich ist, gibt es kein Paradies.
Text, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig