„Lichtspiel“ – ein Roman aus der Filmgeschichte

Der Bestseller-Roman „Lichtspiel“ verarbeitet eine Epoche der Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

„Lichtspiel“, ein Roman über ein Stück Filmgeschichte, ist zum Bestseller dieses Herbstes avanciert. Geschrieben hat ihn der vielfach preisgekrönte deutsche Schriftsteller Daniel Kehlmann. Kehlmann wurde für sein Werk bereits ausgezeichnet u.a. mit dem Kleist-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Sein früherer Roman „Die Vermessung der Welt“ ist eines der erfolgreichsten Bücher der Nachkriegszeit. Daniel Kehlmann lebt in Berlin. Mit seinem aktuellen Roman „Lichtspiel“ (Rowohlt Verlag, November 2023) stürmt er erneut die Bestseller-Listen.

Ein Roman mit Bestseller-Qualitäten? Ja, wobei die Qualitäten wohl vor allem damit zusammenhängen, dass Daniel Kehlmann schriftstellerisch und vor allem aufgrund der Kunstmittel, die er als Romanautor blendend einzusetzen pflegt, sich literarisch auf hohem Niveau bewegt. Was die Inhalte des Romans „Lichtspiel“ anbelangt, kann man getrost geteilter Meinung sein. Der Roman reiht sich nahtlos in jene Nachkriegsliteratur ein, die immer noch damit beschäftigt ist, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zu verarbeiten, insbesondere die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Damals hatten sich viele Künstler und Literaten dem Hitler-Regime angedient. Als Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus enttäuscht das Buch, denn nicht selten driftet der Autor ab ins Boulevardeske und Kolportagenhafte.

Der Protagonist des Romans ist der deutsche Film-Regisseur Georg Wilhelm Pabst. Aus dessen Biographie lassen sich zwei markante Stellen herausheben. Einerseits sind ihm in Deutschland einige grossartige Filme gelungen, wahre Meisterwerke. Als Pabst dann jedoch anfangs der 1930er Jahre als Film-Regisseur auch in Hollywood durchstarten wollte, erlebte er eine jähe Enttäuschung. Georg Wilhelm Pabst scheiterte in Hollywood spektakulär. Enttäuscht und frustriert trat er die Rückreise nach Deutschland an. Zurück in der Heimat, unterbreiteten ihm Hitler und seine Nationalsozialisten ein verlockendes Angebot. Georg Wilhelm Pabst diente sich den Nazis an und stieg für Nazi-Deutschland ins Film-Geschäft ein. Von besonderer Wichtigkeit im Buch „Lichtspiel“ ist der letzte Film, den Regisseur Pabst für das Nazi-Regime gedreht hat. Es handelt sich dabei um eine Literaturverfilmung. Pabst verfilmte den Roman eines Nazi-Autors.

Der Roman „Lichtspiel“ wagt sich an ein äusserst heikles Thema heran. Der Autor wechselt gekonnt die Perspektiven. Ab und an macht er im Roman einen „Schnitt“, ähnlich einem Schnitt, den Film-Regisseure kunstvoll in ihren Filmen anzuwenden pflegen. Autor Daniel Kehlmann schreibt nicht nur über einen Film-Regisseur, er schreibt seinen Roman darüber hinaus auch noch filmisch. Wie in einem Film lassen sich auch im Roman grossartige Szenen finden. Dazu zählen etwa eindrückliche Begegnungen oder filmisch arrangierte Gespräche.

Das filmisch ausgerichtete Schreiben mag literaturtechnisch originell und kunstvoll sein. Allerdings riskiert der Autor damit, dass seine Story zuweilen ins Oberflächliche abzudriften droht. Der Autor schreibt für das Auge seiner Leserschaft, visuell, oftmals auf das Beobachtbare reduziert. Derart kommt m.E. zuweilen der psychologische Hintergrund zu kurz, die Figurenzeichnung wirkt manchmal wenig tiefgründig. Der Autor muss sich aufgrund der gewählten technischen Vorgaben auf die Beschreibung des Grundkonflikts beschränken. Die Roman-Story endet wie auf einer Kino-Leinwand: Wenn „The End“ auf der Leinwand erscheint, bleibt das Publikum allein mit vielen offenen Fragen zurück.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung „Literaturwälla“ zu Daniel Kehlmann und zu seinem Roman „Lichtspiel“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Joel Bieler)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig